2017 - das Budget 201711
Unser blauer Planet - so wunderbar.
Sein hauchdünner Biofilm, in dem wir leben, wird aufgrund des technischen "Fortschritts" immer schutzbedürftiger.
Unter "Energiewende 2015" hatten wir zu diesem Thema schon einmal berichtet. Das war nach dem Pariser Klimavertrag, als wir glaubten, unsere Politiker - insbesondere unsere "Klima-kanzlerin" - würden diesmal nicht nur Sprüche machen. Bei aller Bescheidenheit: unser Artikel ist immer noch lesenswert.
Im November 2016 kam unser Beitrag "Der blaue Planet" mit einer kritischen Stellungnahme zum "Klimaschutzplan 2050" der Bundes-regierung. Der Plan hätte die praktischen Maßnahmen zur Erreichung des in Paris vereinbarten Klimaziels festlegen sollen. Statt dessen konnte sich die Bundesregierung wieder nur zu vagen Ankündigungen durchringen, wie so oft in Umweltsachen.
Nun ist schon wieder ein Jahr ungenutzt verstrichen. In diesen Tagen beginnt eine neue "Weltklimakonferenz" in Bonn und bei den Jamaika-Verhandlungen müssen wir hoffen, dass es einer 9-%-Partei gelingt, ein Mindestmaß an Umweltvernunft durchzusetzen.
Ganz außergewöhnlich: Am 11.10.2017 hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) einen offenen Brief mit Empfehlungen "für die anstehenden Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen" veröffentlicht. Der Rat beobachtet die "schleichende Degradation unserer natürlichen Lebensgrundlagen" mit großer Sorge. Im Einzelnen geht es um die Einleitung des Kohleausstiegs; Elektroquote für PKW, blaue Plakette, Gebäudesanierung u.ä. Bitte lesen Sie selber - es sind nur 4 Seiten.
Es ist wirklich "5 vor 12"
Die graue Linie zeigt die Entwicklung der Emissionen bis 2016, die anschließenden grün-blauen Linien zeigen, wie es weitergehen könnte/müsste, wenn die in Paris 2015 vereinbarten Klimaziele (nicht mehr als 1,5 oder 2 Grad) noch (!!) eingehalten werden sollen.
Wenn wir so weitermachen wie bisher - also hauptsächlich Bla-Bla bei weiterem Anstieg der Emissionen - dann müsste 2025 eine "Vollbremsung" kommen, um dann innerhalb von 10 Jahren (also bis 2035) auf Null zu kommen.
Wenn wirklich sofort etwas geschieht (hellblau "Maximum 2016"), dann wäre für den weiteren kontinuierlichen Abbau der Emissionen Zeit bis etwa 2045.
Die Flächeninhalte unter diesen Kurven (die Integrale) sind immer die gleichen - entsprechend der Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre, die für die angenommene Erwärmung noch gerade zulässig ist. Man kann es aber auch mit den Grundrechenarten ausdrücken: Wenn ich in einen 10-l-Eimer jeden Tag 1/2 l gieße, dann kann ich das 20 Tage lang so machen. Wenn ich aber jeden Tag 2 l hineinkippe, dann ist der Eimer schon nach 5 Tagen voll.
"Klimawandel" und "Energiewende" sind - natürlich - nicht das Gleiche, aber die Stromerzeugung ist der Sektor mit dem größten Anteil an der Freisetzung von Treibhausgasen und innerhalb dieses Sektors wiederum sind es die Kohlekraftwerke.
Auch unsere Politiker sind für den Kohleausstieg, natürlich, aber bloß nicht heute oder morgen. Er ist gegen die Fixierung von Terminen, sagt z.B. der brandenburgische Wirtschaftsminister, erst müsste der sozialverträgliche Arbeitsplatzumbau geregelt werden. Mit Letzterem hat er ja Recht, aber auch damit wollen sie nicht anfangen.
Die letzten beiden deutschen Steinkohlegruben schließen 2018/19. Die "Freisetzung" von anfangs 60.000 Arbeitskräften ist 20 Jahre lang subventioniert worden; das Thema ist praktisch abgeschlossen. Bei der Braunkohle geht es um 20-30.000 Arbeitsplätze, je nachdem, wie schnell der Ausstieg erfolgen soll, wie viele Arbeitskräfte bis dahin die Altersgrenze erreicht haben usw.
Zuerst ein aktueller Vergleich: Gerade ist die AirBerlin mit ca. 8.000 Arbeitsplätzen in wenigen Wochen in Luft aufgelöst worden, unter den Augen und unter starker Mitwirkung der Politik, größtenteils sogar ohne die gesetzlich vorgesehenen Sozialregelungen (wie z.B. § 613a BGB). Und dann soll es seit Jahren nicht möglich sein, den Abbau der 20-30.000 Arbeitsplätze der Braunkohle zu regeln?
Fachlich exakt hat der SRU auch dazu am 2.10.2017 eine Stellungnahme "Kohleausstieg jetzt einleiten" vorgelegt. Stichworte: Abschaltung ab 2020 bis in die 2030'er Jahre; Bedeutung für Klima und Luftschadstoffe; 2030 nur noch 1/3 der Beschäftigten unter 60 Jahre.
Zu den Arbeitsplätzen, die von der Politik immer wieder als Ausrede für die jahrelange Untätigkeit benutzt werden, enthält das Gutachten u.a. interessante Hinweise auf frühere deartige Entwicklungen. So sind in der Bundesrepublik Arbeitsplätze schon wie folgt weggefallen - und verkraftet worden:
1970-84 Textilindustrie 500.000
1975-84 Stahlindustrie 300.000
1957-70 Steinkohlebergbau 350.000
1990-91 Braunkohle spez. DDR 90.000
2012-13 Solarindustrie 45.000
Die Umwälzungen bei Textil, Stahl und Steinkohle waren durch ausländische Konkurrenz erzwungen; bei der DDR-Braunkohle geschah es im Zuge der Wiedervereinigung. Der Wegfall der 45.000 Solar-Arbeitsplätze wurde von der Politik nur kalt lächelnd registriert.
Selbverständlich ist der Abbau der Braunkohle-Arbeitsplätze sozial zu gestalten, desgleichen die Schaffung anderer Beschäftigungen in den betroffenen Regionen - wie das bisher auch immer geschehen ist. Abgesehen davon bleibt gar keine andere Wahl, wenn man den menschengemachten Klimawandel nicht nur für ein Gerücht hält.
Der Umstieg wird immer teurer, wie das Beispiel Autoindustrie zeigt. Die jahrelange - rechtswidrige - "Rücksichtnahme" durch Politik und Behörden hat diesem Industriezweig noch einige Jahre Gewinnmitnahmen ermöglicht - denen jetzt Milliarden Strafzahlungen und gesteigerter Umstellungsdruck bis hin zum drohenden Verlust der Stellung am Weltmarkt gegenüberstehen. Gerade dieser Tage haben die Größen der deutschen Wirtschaft, einschließlich Energieversorger, die Politik aufgefordert, klare Vorgaben zum Kohleausstieg bekannt zu machen, damit die Unternehmen sich darauf einrichten können (Aufruf hier). Für sie ist die Frage nicht mehr, ob, sondern wann der Ausstieg kommt.
Zum SRU-Kohlegutachten geht es hier.
Lassen Sie uns hoffen, dass sich bei Jamaika die Vernunft durchsetzt - und der Respekt vor unserem wunderbaren blauen Planeten..