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Kraniche auf neuen Wegen   201701

22.11.2016: Kraniche über Linz/Österreich auf dem Weg nach Westen (zur Aktualisierung unten)

Foto V. Munteanu

 

 

Die Beobachtung beringter und besenderter Kraniche macht es möglich, die Vögel nicht nur zu zählen, sondern auch die Bewegungen einzelner Individuen zu erfassen. Daraus ergeben sich u.a. folgende Erkenntnisse:

 

 

 

 

 

 

  • Zwischen den blauen Routen 1 und 2 gibt es Austausch. Das heißt, dass z.B. aus Schweden stammende Kraniche (vereinzelt) auch auf der Route 2 zu beobachten sind - und entsprechend umgekehrt.

 

  • Auch zwischen der grünen ("baltisch-ungarischen") und den blauen ("westeuropäischen") Routen gibt es Austausch, vor allem über der Ostsee und dem nördlichen Polen. Insbesondere die Zuwanderung von "grün" zu "blau" wird als einer der Gründe für den starken Anstieg der Zahlen auf der westeuropäischen Route vermutet.

 

  • Umgekehrt: In Tschechien waren die Kraniche ausgestorben. Eine neue Population (z.Zt. ca. 35 Brutpaare) hat sich dort aus zugewanderten sächsichen Kranichen gebildet. Diese fliegen im Herbst erst zurück nach Sachsen und dann mit den anderen gen Westen (bei der Rückkehr im Frühjahr entsprechend), obwohl sie mit dem Flug direkt über das Mittelgebirge auch keine Probleme hätten ("rot 4").

 

  • Abkürzung: Auch in Norwegen waren die Kraniche ausgestorben. Das Land wird von den Nachkommen schwedischer Kraniche wieder besiedelt. Sie fliegen im Herbst erst nach Schweden und von dort über die Ostsee gen Süden. Im Frühjahr aber werden mehr und mehr norwegische Kraniche beobachtet, die über Schleswig-Holstein und Dänemark auf dem kürzeren Weg direkt nach Norwegen zurückkehren ("rot 5").

 

  • Besonders interessant ist eine anscheinend neu entstehende Route über Süddeutschland. Dort haben die letzten Kraniche um 1890 gebrütet und auch Durchzügler im Herbst waren seitdem äußerst selten. Seit etwa 1990 konnten gelegentlich kleinere Trupps beobachtet werden, die im Herbst von Ost nach West über Bayern, Baden-Württemberg und die NW-Schweiz zogen. In den letzten Jahren ist ihre Zahl stark angestiegen (2013 geschätzt 30.000), auch wenn es sich dabei nur um Zufallsbeobachtungen handelt (d.h. von Vogelfreunden, die sich im Freien aufhalten und dabei Kraniche beobachten und melden). Viele Durchzügler werden auf diese Art gar nicht erfasst; andere werden mehrfach beobachtet und gemeldet – aber die Tendenz wird erkennbar. Der NABU spricht bereits von einer „Südroute“, die nicht nur am Nordrand der Alpen, sondern auch auf deren Südseite zu erkennen ist ("rot 6").
     

  • Die folgenden Abbildungen zeigen die Kranichbeobachtungen beim Herbstzug 2013 (1.9.-30.11.) und beim darauf folgenden Frühjahrszug 2014 (1.2.- 28.2.). Die erste Karte gibt die im Vergleich zu den beiden etablierten Routen (blau „1“ und „2“) doch schon ansehnliche Menge an Beobachtungen im Süden wieder und auch, wie gut erkennbar sich der Alpenrand dabei abzeichnet.

Was veranlasst – und befähigt - diese Vögel, solche neuen Routen zu entdecken? Nur entsprechende Windverhältnisse scheiden aus. Von Hortobagy bis zur SO-Ecke Bayerns und von da bis zum Anschluss an die traditionelle westeuropäische Route (blau) sind es rd. 1.000 km. Die Windverhältnisse waren im Herbst 2013 nicht anders als im Durchschnitt der Jahrzehnte zuvor und die flugtüchtigen Kraniche ziehen sogar bei Gegenwind, wenn es nicht anders geht. Woher "wussten" sie, dass es weit im Westen diese andere traditionelle Kranichroute gibt?  Oder - falls nur einzelne Vögel die Route zufällig entdeckt haben - müssen sie es im Jahr darauf den anderen mitgeteilt haben.

Demgegenüber zeigt die Frühjahrskarte nur eine verschwindend kleine Anzahl an Beobachtungen im Süden. Das darf wohl so gedeutet werden, dass die Kraniche, die im Herbst in Hortobagy/Ungarn („H“) die „baltisch-ungarische“ Route verlassen haben und donauaufwärts nach W geflogen sind, im darauffolgenden Frühjahr nicht wieder zurück nach Ungarn, sondern mit den großen Scharen ihrer Artgenossen in Richtung NO über Deutschland gezogen sind. Sie haben damit eine große Runde gemacht.

Herbst 2013: Erhebliche Kranichzüge von Ost nach West über Süddeutschland und auch südlich der Alpen

Die beiden Karten sind zugleich ein Beispiel für die Bedeutung der „Laien“-Vogelbeobachtungen und ihrer Meldungen an geeignete Datenbanken ("Citizen Science"). Sie entstammen zwei Aufsätzen von Chr. KÖNIG et al. in der Zeitschrift „DER FALKE“ (Heft 01 und 04/2014), mit dessen freundlicher Erlaubnis wir sie hier abdrucken. Sie beruhen auf Meldungen an die Datenbank „ornitho“, die vom Dachverband Deutscher Avifaunisten e.V. und den entsprechenden Organisationen in den Nachbarländern betrieben wird. Der Verband bittet, auch auf die Übersicht seiner Publikationen unter www.ornitho.de hinzuweisen.

 

Nach einfacher Registrierung können auch Sie jederzeit Vogelbeobachtungen aller Art unter www.ornitho.de eingeben. Sie helfen damit beim Schutz der Vögel und der Natur - und Spaß macht es auch.

Frühjahr 2014: Kein Rückflug über Süddeutschland

Aktualisierung 11.1.2017:

Die neue Südroute (auf der Kartenskizze oben rot "6") stabilisiert sich weiter. Das Foto ganz oben ist ein weiterer Beleg dafür. Die Kraniche fliegen von Ungarn aus das Donautal aufwärts und dann weiter nach Westen, bis sie in Frankreich auf ihre Artgenossen treffen. Kranichschutz Deutschland spricht für Herbst 2015 von "ein paar 10.000", die in Bayern beobachtet worden sind.  

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